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BEWEGEN UND BEEINFLUSSEN
Früher kämpfte er als Gewerkschafter für die 35-Stunden-Woche, heute kommt er selbst auf das doppelte
Stundenpensum. Landeshauptmann-Stellvertreter
Reinhold Entholzer leitet die SPÖ Oberösterreich in
einem für die Partei schwierigen Wahlkampf. Bei seiner Arbeit setzt er weniger auf Konfrontation als auf
Kompromisse und intensive Gespräche. Energie für seine Arbeit holt er sich bei der Familie und seiner
Leidenschaft, dem Sport.
31 Grad, wolkenloser Himmel, einige Son-
nenschirme schützen die Gäste am Bahn-
hof von Attnang-Puchheim zumindest
etwas vor der Hitze. Im Hintergrund steht
schon ein Bagger bereit, in Kürze soll eine
Park & Ride – Anlage für etwa 8.000 Pend-
ler entstehen, die hier täglich aus- und
umsteigen. Trotz der hohen Temperatu-
ren schüttelt Reinhold Entholzer in Hemd
und Sakko noch vor seiner Eröffnungsre-
de zahlreiche Hände und führt in kleinen
Gruppen Gespräche. Dieser Termin ist ein
Heimspiel für den Verkehrsrecht-Landes-
rat - von 1985 bis 1990 arbeitete er hier im
Hochbau. Einige der Anwesenden kennt
er noch aus dieser Zeit, beim Spatenstich
lässt er sich geduldig mit Initiatoren, Bau-
herren und anderen Gästen ablichten.
Für das Interview flüchten wir in den kli-
matisierten Warteraum im Bahnhofsge-
bäude. „Wir haben hier früher die sku-
rilsten Dinge gesehen“, erinnert sich
Entholzer. Nach dem zweiten Weltkrieg
wurden alte Güterwaggons und Eisenteile
kurzerhand in Bombentrichtern entsorgt.
„Wenn es Baustellen gegeben hat, musste
man besonders vorsichtig graben, immer
wieder sind Blindgänger aufgetaucht“,
sagt Entholzer. Und Baustellen gab es in
seiner Zeit hier viele. Ob die Fußgängerun-
terführung, das Parkdeck, den Umbau der
Lehrwerkstätte auf der anderen Seite der
Geleise – der 56-Jährige erinnert sich an
jedes Projekt bis ins Detail. Das alte Bahn-
hofsgebäude, sein früherer Arbeitsplatz,
ist mittlerweile einem modernen Bau aus
Stahl und Glas gewichen. Hier musste
Entholzer eine schwierige Entscheidung
treffen: Gewerkschaft oder technische Ar-
beit? „Mit Baufirmen zusammenarbeiten,
Lösungen suchen, Baustellen abwickeln,
das hat mir schon immer viel Spaß ge-
macht“, sagt er. Trotzdem entschied sich
Entholzer für die Gewerkschaftsarbeit.
Geprägt durch die
Großväter
Sein politisches Interesse wurde aber
schon viel früher geweckt. Der Großvater
väterlicherseits war Bahnhofsvorstand in
Peuerbach bei Stern & Hafferl, Sozialde-
mokrat und Gewerkschaftler und erzählte
ihm über die Anfänge der Februarkämpfe
1934. Der Großvater mütterlicherseits hin-
gegen gründete die Raiffeisenbank in Peu-
erbach mit, war Bauer, geriet nach dem
1. Weltkrieg in russische Gefangenschaft
und lernte dabei perfekt Russisch. „Im
Nachhinein habe ich mich durch ihre Er-
zählungen für Politik, Geschichte und ge-
sellschaftliche Strukturen zu interessieren
begonnen“, sagt Entholzer. In der Schule
wurde er bald Klassensprecher. Enthol-
zer: „Meine Mutter würde sagen, ich hab’
nie den Mund halten können.“ Dabei ist er
heute als Politiker nicht dafür bekannt, die
Konfrontation zu suchen. Sondern eher
für Kompromisse und Gespräche über
die Parteigrenzen hinaus. Wo Menschen
zusammenarbeiten, brauche man eben
auch eine persönliche Beziehung, sonst
sei es schwierig, über ideologische Gren-
zen hinaus etwas zu bewegen. „Ich hoffe,
dass die anderen das auch so sehen, ich
selbst habe klare Ziele und bin trotzdem
bereit, Kompromisse einzugehen“, sagt
er. In der Familie könne ja auch nicht ei-
ner sagen wo es lang geht, man müsse
versuchen, alle mitzunehmen. Für diese
Kompromissbereitschaft wurde Entholzer
aber auch schon kritisiert. So forderte er
eine Mitgliederbefragung in der SPÖ über
eine mögliche rot-blaue Zusammenarbeit
– sehr zum Ärger einiger Parteikollegen
und Jugendorganisationen. „Solange sich
die FPÖ nicht vom rechten Rand distan-
ziert, ist eine Zusammenarbeit auch für
mich ein No-Go, wir dürfen uns aber auch
nicht in eine Geiselhaft begeben, die uns
dazu verdammt, außer mit der ÖVP mit
niemanden zusammengehen zu können“,
sagt Entholzer, „denn das nutzen die aus.“
Für die SPÖ und Entholzer ist es ein
schwieriger Wahlkampf, sämtliche Um-
fragen sehen die SPÖ momentan nur noch
auf Platz 3. „Die Stimmung ist sicherlich
angespannt, das Flüchtlingsthema ist mo-
mentan sehr bestimmend, noch dazu wo
es eine Partei gibt, die aus meiner Sicht
keine Lösungen anbietet und nur Ängste
schürt“, sagt Entholzer. Es sei klar, dass
Oberösterreich und auch Österreich die
Probleme nicht alleine lösen könne, ge-
meinsam müsse man aber mehr für die
Menschen tun. „Ich sage das ganz klar:
Am Sonntag in die Kirche gehen, am Mon-
tag wieder gegen Asylwerber schreien,
aber dann im Dezember, weil es zur Tra-
dition gehört, auf Herbergssuche gehen –
das ist für mich nicht in Ordnung.“
Seine Energie für die intensiven Monate
vor der Wahl holt sich Entholzer bei sei-
ner Familie und im Sport. „Seit einem
Jahr habe ich aber nicht mehr viel Zeit
für Bewegung“, sagt er, „ich versuche zu-
mindest eine Stunde pro Woche mit mei-
ner Frau Tennis zu spielen.“ Auch Fußball
wäre eine seiner Leidenschaften, die gin-
ge sich aber kaum noch aus, dazu fehlt
das Training. „Früher bin ich zweimal pro
Woche Laufen gegangen, da hat man sich
beim Fußball spielen auch leichter getan“,
erzählt Entholzer. Irgendwann jenseits
der 50 müsse man aber einsehen, dass
man ohnehin nur noch als Stehfußballer