71
Es schüttet wie aus Kübeln, wir treffen
Josef Pühringer also mit Anzug und
Krawatte anstatt mit Wanderhemd und
Rucksack im Trockenen. Gepäck hat er
trotzdem einiges mit – jede Menge Auf-
gaben, denen er sich in Zukunft stellen
will. Josef Pühringer möchte auch wei-
terhin gerne zeitlos sein. Zeitlos, was
seine Freizeit betrifft. Und zeitlos, was
seine Arbeitsweise und Einstellung be-
trifft. Denn dass er älter geworden ist,
falle ihm nur auf, wenn er einen Blick
auf seine Geburtsurkunde wirft.
Was ist für Sie das Schöne am
Wandern?
PÜHRINGER_Wandern ist Entspan-
nung, Naturerlebnis, Bewegung an der
frischen Luft. Beim Wandern kann man
Abstand bekommen und die Dinge et-
was aus der Entfernung beurteilen.
Als Politiker wandern Sie schon seit
vielen Jahren bergauf – kommt da nicht
die Zeit, in der man sich endlich auch
auf den gemütlichen Abstieg freut?
PÜHRINGER_Das ist wie beim Wan-
dern. Die Ruhepausen sind kurz. Und
dann freut man sich wieder auf’s Wei-
termarschieren. Ich denke jetzt nicht
ans Aufhören, sondern ich denke an
die nächste Funktionsperiode, für die
ich mich bereit erklärt habe. Weil ich
glaube, dass ich noch einiges einbrin-
gen kann, mir fallen immer noch gute
Ideen ein, mir macht’s Freude und ich
tu’s gerne.
Da sieht man an Ihrem Terminkalen-
der, denn dieser ist rund um die Uhr
gefüllt, sieben Tage die Woche. Ernten
Sie mehr Anerkennung oder mehr
Verwunderung für Ihren unermüdlichen
Einsatz? Ist Leistung in Österreich eher
positiv oder negativ besetzt?
PÜHRINGER_Leistung ist aus meiner
Sicht immer etwas Positives, wenn-
gleich man’s auch übertreiben kann.
Und wenngleich man auch mit jenen,
die aus irgendwelchen Gründen nicht
leistungsstark sind, fair umgehen
muss, das ist eine Hauptaufgabe der
Politik. Aber für mich ist, etwas leisten
zu können, etwas weiterbringen zu kön-
nen, etwas zu lösen, einfach ein posi-
tives Gefühl, dabei fühl ich mich wohl.
Und ich denke, ein Politiker muss auch
leistungsorientiert sein. Denn seine
Aufgabe ist es, wie ein Seismograph
die Sorgen und Anliegen der Menschen
rechtzeitig wahrzunehmen und dann
auch rasch Lösungen zu finden.
Sie kennen die Arbeit als Politiker
schon seit 1973.
PÜHRINGER_Ja, da hab ich als Stadtrat
in Traun begonnen.
Inwiefern hat sich die Arbeit eines
Politikers in diesen Jahren verändert?
PÜHRINGER_Sie ist vielfach anders
geworden, aber in manchen Dingen
gleich geblieben. Das Entscheidende
ist immer, dass du die Menschen ernst
nimmst, dass du sie magst und dass du
versuchst, sie zu verstehen. Dann ver-
stehst du auch, was sie bewegt und das
muss auch die Politik bewegen. Diese
Formel ist gleich geblieben. Max Weber
hat gesagt, Politik ist das Bohren von
harten Brettern mit Augenmaß, Leiden-
schaft und Verantwortung. Das wird es
immer bleiben. Was anders geworden
ist, sind die Kommunikationswege – es
sind unendlich viele geworden. Frü-
her gab ein Politiker im Jahr vielleicht
zehn Pressekonferenzen, heute gibt
er zehn im Monat oder mehr. Wir sind
eine offene Gesellschaft geworden, die
Bürgerbeteiligung wurde wesentlich
ausgebaut, die Politik ist transparenter
geworden. Das hat viele, viele Vorteile.
Und das muss man auch so leben.
Ist es schwierig, junge Wähler an-
zusprechen, wenn man selbst einer
älteren Generation angehört?
PÜHRINGER_Da hab ich überhaupt
kein Problem. Ich fühle mich in Jugend-
diskussionen pudelwohl, irgendwie bin
ich immer der Obmann der Jungen
ÖVP geblieben. Erst vor kurzem bin ich
um halb eins in der Früh nach Hause
gekommen, als gerade mein Sohn mit
seinen Studienkollegen beisammen
gesessen ist – er studiert an der Linzer
Uni. Ich habe mich dazugesetzt und mit
ihnen noch eine Stunde diskutiert.
Worin merken Sie, dass Sie einer älte-
ren Generation angehören?
PÜHRINGER_An der Geburtsurkunde.
Im aktuellen APA/OGM-Vertrauens-
index führen Sie ganz klar mit einem
Plus von 42 Punkten vor allen anderen
oberösterreichischen Politikern. Ver-
glichen mit 2009 haben Sie aber zehn
Punkte im Vertrauen verloren. Warum,
glauben Sie, ist das so?
PÜHRINGER_Das darf man nicht isoliert
sehen. Die gesamte Tabelle ist auf einem
niedrigeren Niveau – die Politik hat in den
letzten Jahren offensichtlich an Vertrau-
en abgebaut. Und momentan beherrscht
das Asylthema die gesamte Politik und
die Politik hat dabei noch zu wenig Lö-
sungsqualität gezeigt. Wenn man zu ei-
nem Zeitpunkt fragt, wo es kein offenes
Thema gibt, schaut die Umfrage ganz an-
ders aus. Aber das Entscheidende ist im-
mer der Abstand. Und wissen Sie, wenn
die politischen Mitbewerber zum Teil 25
und 30 Prozent entfernt liegen, dann bin
ich mit diesem Wert sehr zufrieden.
Aber ist nicht generell ein Wunsch nach
Veränderung in der Politik spürbar?
Helge Löffler, Partner der KPMG Linz,
sagt zum Beispiel: „Die Wirtschaft ver-
ändert sich heute wesentlich schneller
als vor zehn, zwanzig Jahren. Die
Komplexität und die Geschwindigkeit
sind gestiegen und daran müssen sich
auch die politischen Rahmenbedingun-
gen orientieren.“ Wie werden Sie dem
Wunsch nach Veränderung gerecht?
PÜHRINGER_Ich glaube nicht, dass wir
in Oberösterreich den Vorwurf verdie-
nen, dass wir uns nicht rasch und flexi-
bel zeigen in der Politik. Natürlich, und
da hat Herr Löffler Recht, durch un-
ser demokratisches System und durch
die Ebenen Europa und Nationalstaat,
ist ein Zeitproblem gegeben und man
muss überlegen, wie man hier rascher