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Seit Hunderten Jahren werden Boote nach einem ähnlichen Prinzip am Ufer festgemacht – mit Leinen.
Ein Innviertler will das jetzt ändern – mit einem neuen Anlegesystem für Yachten. Seeleute und Bootsbauer
belächeln das Projekt in der Anfangsphase, doch
Michael Fuhrmann lässt sich nicht beirren.
ANLEINEN WAR GESTERN
Das Meer und die Ruhe genießen, dem
Alltag entfliehen und die Arbeit im eige-
nen Unternehmen ruhen lassen – seit
fünfzehn Jahren segelt Michael Fuhr-
mann mit einer alteingesessenen Män-
nerrunde an den Küsten des Mittelmeers.
In einer Nacht im Sommer 2007 ändert
sich alles. Es ist die Nacht, in der Fuhr-
mann die Idee für sein zweites Unterneh-
men hat, mit dem er die private Schiff-
fahrt für immer verändern will.
Die acht Männer liegen bereits am Ufer
vor Anker und bereiten sich auf die Nacht
vor, doch die Wetterverhältnisse ver-
schlechtern sich dramatisch. „Die Wind-
geschwindigkeit ist auf 30 Knoten und
mehr angestiegen“, erinnert sich Fuhr-
mann. Ab diesen Windgeschwindigkeiten
besteht die Gefahr, dass sich der Anker
durch die Wellen losreißt, in diesem Fall
dauert es nur einige Sekunden, bis das
Schiff abgetrieben ist. „Das hätte zu Be-
schädigungen geführt, weil gleich in der
Nähe Felsen waren“, sagt Fuhrmann.
Um das zu verhindern, lösen die aus-
gebildeten Skipper den Anker und alle
Leinen und segeln aufs offene Meer, um
dort den Sturm zu überstehen, die an-
deren Passagiere gehen unter Deck und
versuchen, zu schlafen. Fuhrmann tut
allerdings kein Auge zu – nicht nur we-
gen des starken Wellenganges. „Ich habe
mich gefragt, ob es nicht eine bessere
Lösung geben kann, mit der Schiffe auch
schlechtes Wetter unbeschadet am Ufer
überstehen können“, sagt er.
Tests bei miserablem Wetter
Und er findet eine Lösung. Zwei Monate
später reicht der 59-Jährige ein Patent
für ein neues Anlegesystem ein. Halte-
bäume aus Stahl anstatt Leinen fixie-
ren das Boot. Der große Vorteil: „Diese
Haltebäume sind im Gegensatz zu den
Leinen unabhängig vom Wasserspiegel
und können sich etwa bei Ebbe nicht lo-
ckern“, sagt Fuhrmann. Noch dazu sind
die am Meeresgrund befestigten Lei-
nen, welche die meiste Zeit unter Was-
ser liegen, durch Algen, scharfkantige
Muscheln und üblen Geruch ohnehin
nicht gerade beliebt bei Seglern.
Nach der Einreichung des Patents be-
ginnt für Fuhrmann erst der eigentli-
che Kampf. Er muss seine Entwicklung
testen und perfektionieren, bevor sie
marktreif wird. Und Skeptiker über-
zeugen. „Seeleute kennen die Gewalt
des Meeres und haben einen heillosen
Respekt davor, gegenüber meiner neu-
en Erfindung waren sie anfangs ab-
lehnend“, erinnert sich Fuhrmann. Er
selbst als Techniker habe das nüchter-
ner gesehen. Es gelingt ihm tatsäch-
lich, einen Schiffseigentümer zu über-
zeugen, ihm seine 15 Meter lange Jacht
für Versuche zur Verfügung zu stellen.
„Ich bin dann im Herbst und Winter,
wenn das Wetter möglichst schlecht
war, nach Kroatien gefahren, um die
Erfindung zu testen“, sagt Fuhrmann,
„einmal sind die Schneeflocken bei 100
Kilometer Windstärke waagrecht da-
hergeflogen.“
Insgesamt fünf Jahre dauert die Ent-
wicklungszeit bis das erste System
verkauft wird. Eine so lange Phase so
zu finanzieren wäre wohl schwer ge-
wesen, hätte Fuhrmann nicht Möglich-
keiten, von denen andere Start-Ups nur
REDAKTION_VALENTIN LISCHKA
FOTOGRAFIE_DUALDOCKER
ILLUSTRATION_ALEXANDRA AUBÖCK
träumen können. Vor 30 Jahren grün-
dete er die Fuhrmann Erodiertechnik
GmbH. „Die hat in den ersten Jahren
die Kosten getragen, ansonsten wäre
ein Start-up mit diesen Aufwendungen
in langwierige Versuche und Herstel-
lung nicht möglich gewesen“, sagt der
Unternehmer. Als die Marktreife näher
kommt, entdecken auch Investoren das
Potential. Der OÖ Hightechfonds unter-
stützt heimische, hochtechnologische
Unternehmen dabei, neue Ideen um-
zusetzen. 250.000 Euro bis zu maximal
1,5 Millionen Euro werden in besonders
vielversprechende Unternehmen inves-
tiert — die Beteiligungen laufen bis zu
zehn Jahren. „Der Hightechfonds hat
sich bei der Dualdocker GmbH mit ei-
ner Million Euro beteiligt – das hat uns
die Gründung und Marktreife massiv
erleichtert“, erinnert sich Fuhrmann.
Experten ändern Meinung
Mittlerweile fixieren die Anlegesysteme
nicht nur Yachten. In Gibraltar konnte
man einen Auftrag für die Fixierung ei-
nes 350 Tonnen schweren Bürogebäu-
des an Land ziehen. In Zukunft werden
durch das Unternehmen sogar neue
Lebensräume für Menschen erschlos-
sen. So entstehen am Goitzschesee in
Sachsen-Anhalt schwimmende Häuser,
die mit den Dualdocker-Systemen am
Ufer gehalten werden. Das Projekt wäre
fast gescheitert. „Spezialisten der Ham-
burger Universität hielten es für nicht
machbar, da durch die dortigen Winde
bis zu zwei Meter hohe Wellen entste-
hen können, das wäre zu viel gewesen
für herkömmliche Anlegesysteme.“
Doch die Hamburger machen die Rech-