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wachsende Popularität ist die niedrige
Zinslage für Anleger – und dass Banken
Kredite besonders an Jungunternehmer
nur bei hohen Sicherheiten vergeben“,
sagt Modl. Hinzu kommt die neue Geset-
zeslage: War Crowdinvesting jahrelang
eher in einer rechtlichen Grauzone, re-
gelt das im Juli beschlossene Alterna-
tivfinanzierungsgesetz nun alle Details.
Die Obergrenze für die Projekte liegt
nicht mehr bei 250.000, sondern bei fünf
Millionen Euro in einem Zeitraum von
sieben Jahren. Investoren können pro
Projekt maximal 5.000 Euro investieren,
außer das monatliche Nettoeinkommen
liegt über 2.500 Euro. Für Modl ist das
Gesetz ein großer Fortschritt für Anleger
und Unternehmer. „Davor mussten wir
uns mit 28 großen Bundesgesetzen aus-
einandersetzen, um sauber arbeiten zu
können, das wurde uns jetzt deutlich er-
leichtert“, sagt er, „der Gesetzgeber hat
uns damit viel Vertrauen entgegen ge-
bracht, jetzt liegt es an den Plattformen,
die neuen Qualitätsstandards lückenlos
einzuhalten.“
Hohes Risiko, hohe Rendite?
Österreicher sind normalerweise nicht
für ihre Risikofreudigkeit im Umgang
mit Erspartem bekannt. Der internati-
onale Vergleich zeigt, dass Crowdinves-
ting dabei keine Ausnahme ist: Wäh-
rend in England im Schnitt 36 Euro pro
Person investiert werden, sind es hier-
zulande derzeit nur 40 Cent. Trotzdem
boomt diese Finanzierungsform: Wur-
den 2014 von allen österreichischen
Crowdfunding-Plattformen noch drei
Millionen Euro gesammelt, waren es im
ersten Halbjahr 2015 bereits 5,3 Milli-
onen.
Was bedeutet das alles für Anleger?
„Crowdinvesting bleibt immer noch ein
Hochrisiko-Investment“, sagt Helmut
Pernsteiner, Institutsvorstand vom In-
stitut für betriebliche Finanzwirtschaft
der Johannes Kepler Universität. Er
sieht zwei Probleme. Erstens: Das In-
formationsproblem. „Während es etwa
bei börsennotierten Unternehmen de-
taillierte rechtliche Regelungen und In-
formationen gibt, ist das bei Start-ups
im Crowdinvesting-Bereich meist nicht
in diesem Maß gegeben“. Und zwei-
tens: Die Emotionen. Anleger würden
teilweise aus einer Sympathie für ein
Projekt investieren und dadurch emo-
tional mit dem Unternehmen verbun-
den sein. „Dadurch und durch falsche
Erwartungen könnten sie auch schon
beim Verlust kleinerer Summen sehr
enttäuscht sein“, sagt Pernsteiner. Im
April dieses Jahres ging mit Woode-
ro erstmals in Österreich ein Start-up
in Konkurs, das durch eine Crowdfun-
ding-Plattform finanziert wurde. 175
Investoren verloren im Schnitt 950 Euro.
Kritiker sehen ein weiteres Problem: Ist
es nicht wahrscheinlich, dass Experten
in Venture Capital-Firmen schon lange
vor der breiten Masse das Potential von
guten Ideen erkennen – und so kaum
gute Ideen für Crowdinvesting-Portale
übrig bleiben? „Es wäre schön, wenn es
so wäre“, sagt Christian Modl. „So was
funktioniert aber höchstens im Silicon
Valley, in Tel Aviv und vielleicht noch
eingeschränkt in London“.
Gerade für unkonventionelle Ideen
gebe es am klassischen Markt oft keine
finanziellen Mittel, sagt auch Pernstei-
ner, und genau diese Projekte könnten,
sobald sie marktfähig sind, sehr erfolg-
reich werden. Für ihn ist es keineswegs
erstaunlich, dass gerade in Zeiten von
Niedrigzinsen mehr und mehr Men-
schen nach alternativen Anlagemög-
lichkeiten suchen. Durch das relativ
hohe Risiko ist auch eine hohe Rendite
für Anleger möglich.
Crowdinvesting als
Marketing-Tool
Damit die Crowdinvesting-Aktion für
Unternehmen zum Erfolg wird, rät Juli-
an Juen zur detaillierten Planung. „Man
darf nicht der Illusion erliegen, dass es
reicht, ein Projekt auf eine Plattform zu
stellen und abzuwarten“, sagt er. Statt-
dessen solle eine Crowdinvesting-Akti-
on von der erster Sekunde an wie eine
Kampagne durchdacht sein – und zwar
von Financial Marketing bis hin zur Be-
werbung selbst. „Wir bei Kaahee hatten
etwa eine eigene Social Media–Kampa-
gne dafür und sind bei verschiedenen
Events aufgetreten“, sagt Juen. Wichtig
sei es auch, die Zielgruppe potentieller
Investoren ganz genau zu kennen. Denn
für den Gründer war das Geld nicht die
einzige Motivation, eine Crowdinves-
ting-Aktion zu starten. „Wir sehen darin
auch ein interessantes Marketing-Tool“,
sagt er, „jeder der Crowdinvestoren
identifiziert sich mit dem Produkt und
dem Unternehmen und wird vermut-
lich in seinem Freundeskreis Mundpro-
paganda dafür betreiben.“ Im Fall von
Kaahee bedeutet das: 300 Multiplika-
toren, durch die der Bekanntheitsgrad
des Unternehmens gesteigert werden
könnte._
Grund für die wachsende
Popularität von Crowdinvesting
ist die niedrige Zinslage
für Anleger – und dass
Banken Kredite besonders an
Jungunternehmer nur bei hohen
Sicherheiten vergeben.
CHRISTIAN MODL
Experte für alternative
Finanzierungsmöglichkeiten
Crowdinvesting bleibt immer
noch ein Hochrisiko-Investment.
HELMUT PERNSTEINER
Institutsvorstand vom Institut für
betriebliche Finanzwirtschaft der JKU