45
Ich bin kein Getriebener.
MICHAEL STRUGL
Wirtschafts-Landesrat OÖ
Samstagvormittag. Der Himmel ist viel
zu dunkel für diese Tageszeit und das
windige, kalte, verregnete Wetter alles
andere als einladend für eine Laufrun-
de. Dennoch treffen wir auf der Linzer
Donaulände Michael Strugl in seinem
Laufdress. Ganz zufällig ist das natür-
lich nicht – wir haben uns mit ihm zum
Interview mit Fotoshooting verabredet
und eigentlich trug er kurz zuvor noch
Anzug mit Krawatte. Sein Tagesab-
lauf gleicht aber durchaus einem Ma-
rathon – er kommt gerade von einem
Termin und muss in einer Stunde zum
nächsten. Die Strecke, auf der wir ihn
fotografieren, komme ihm aber äußerst
bekannt vor, zählt sie doch zu seinen
Laufstrecken, auf denen er pro Woche
25 bis 30 Kilometer zurücklegt. „Das
brauche ich ganz einfach, weil Laufen
nicht nur für physisches Wohlbefinden
sorgt, sondern auch mental gut ist, um
nachdenken und abschalten zu kön-
nen“, erzählt er. Zusätzlich mache er
einmal wöchentlich Krafttraining.
Eine sportliche Herausforderung ist
auch das Ziel, den Anschluss von Ober-
österreich an die industriellen Spitzen-
regionen Europas zu schaffen. Warum
hat man im Standort-Ranking derart an
Wettbewerbsfähigkeit verloren?
STRUGL_Andere
Standorte
haben
aufgeholt, haben ihre Hausaufgaben
gemacht und sind deswegen auf der
Überholspur. Österreich ist in der Ent-
wicklung im Wesentlichen stehenge-
blieben und hat keinen Sprung mehr
gemacht. Wir haben unsere Hausauf-
gaben nicht vollständig erledigt, die
Strukturreformen fehlen noch. Die
wesentlichen Faktoren, auf die wir set-
zen müssen, sind die Treiber im Wett-
bewerb: nämlich unsere Innovations-
kraft und vor allem auch die Frage der
Qualifikation der Mitarbeiter – das sind
die entscheidenden Wettbewerbsvor-
teile. Da muss Österreich noch etwas
tun: Wir haben auf der Kostenseite zu
hohe Belastungen, hohe Steuern, hohe
Lohnnebenkosten, wir brauchen drin-
gend im Bereich Deregulierung einen
Befreiungsschlag und wir brauchen
mehr Forschung und Entwicklung. Und
vor allem einen wirklichen Fortschritt
in der Reform des Bildungssystems.
Inwiefern beeinflusst die Landtagswahl
im Herbst Ihr derzeitiges Bemühen, die-
se Reformen durchzusetzen? Bremsend
oder beflügelnd?
STRUGL_
(schmunzelt) Nun ja, wenn
wahlpolitische Motive sachliche Fragen
überlagern, kann das kontraproduktiv
sein. Aber ich kann versichern, dass
meine Arbeit von den Wahlen nicht di-
rekt beeinflusst wird - was wir uns auf
die Agenda gesetzt haben, das machen
wir jetzt auch. Aber je näher wir zum
Wahltag kommen, desto mehr merkt
man natürlich die Begleitmusik. Ich
sehe das relativ entspannt. Ich habe
viele Wahlkämpfe erlebt – sie sind Stür-
me, die vorüberziehen. Also ich glaube,
es wird uns in Oberösterreich nicht be-
sonders aufhalten.
„Österreich ist stehengeblieben“ haben
Sie vorhin gesagt. Die IV OÖ spricht
sogar vom bundespolitischen Reform-
stillstand, der immer besorgniserregen-
der für den Wirtschaftsstandort wird.
Welchen Einfluss hat die Landespolitik
hier überhaupt?
STRUGL_Die Landespolitik muss auch
ihre Hausaufgaben machen. Das heißt,
wir brauchen Investitionen in For-
schung und Entwicklung. Wir müssen
in Zukunftstechnologien und in die
Technologieführerschaft investieren –
Stichwort Industrie 4.0. Wir brauchen
die wesentlichen Infrastrukturvoraus-
setzungen, die für wettbewerbsfähige
Standorte selbstverständlich sind, bei-
spielsweise Breitbandtechnologie. Wir
müssen in die Humanressourcen in-
vestieren, damit wir einfach die besten
und qualifiziertesten Fachkräfte haben.
Da kann die Landespolitik auch etwas
bewegen.
Genau diese Fachkräfte werden durch
den demographischen Wandel aber
immer rarer. Was tun Sie, um fehlende
Arbeitskräfte aufzutreiben?
STRUGL_ Wir wissen, dass wir bis 2020
circa 30.000 zusätzliche Fachkräfte
brauchen. Wir haben daher eine Fach-
kräftestrategie entwickelt, bei der wir
aus der bestehenden Erwerbsbevöl-
kerung fünf Potentialgruppen identifi-
zieren, wo diese Fachkräfte sozusagen
herausgekitzelt werden können. Wir
können das bei jungen Menschen durch
chancenorientierte
Schwerpunktset-
zung in der Aus- und Weiterbildung tun,
aber auch bei den Frauen, bei den Mig-
ranten, bei älteren Arbeitnehmern und
bei Mitarbeitern mit gesundheitlichen
Einschränkungen müssen wir noch
Fachkräfte mobilisieren. Hinzu kommt
die qualifizierte Zuwanderung, die wir
letztlich auch brauchen werden. Und so
werden wir die Lücke schließen können.
Aber wie kann die qualifizierte
Zuwanderung funktionieren – welche
Kriterien sind wichtig für diese Men-
schen, damit sie sich für Österreich als
Lebens- und Arbeitsraum entscheiden?
Im Kampf um diese Fachkräfte sind wir
ja auch im Wettbewerb mit anderen
Ländern.
STRUGL_Ganz genau, und leider hat
Österreich diese Entwicklung ein biss-
chen verschlafen. Andere Staaten ha-
ben ihre Anstrengungen längst ver-
stärkt, um qualifizierte Zuwanderung
zu bekommen. Bei uns ist man eher auf
der Bremse gestanden - zum Teil, weil
wir eine politische Diskussion geführt-
haben, die längst überholt war. Nämlich
die Frage, ob wir überhaupt Zuwande-
rung brauchen. Das ist längst entschie-