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Salzburgs älteste Brauerei hat sich zu einer
Spezialitäten-Manufaktur entwickelt. In Kaltenhausen
erfindet Braumeister Günther Seeleitner neue Rezepturen. Das Unternehmen ist ein Beispiel dafür, dass sich
Bier vom Durstlöscher und Stimmungsmacher immer mehr zum Genussmittel für gehobene Ansprüche
entwickelt.
KLASSE STATT MASSE
Im Braugasthof sitzen bereits die ersten
Gäste, trinken andächtig ihr Bier und
studieren die Karte, die gelben Häuser
der Brauerei Kaltenhausen scheinen
sich geradezu an den 851 Meter hohen
Barmstein zu schmiegen. Jahrhunder-
telang befand sich hier eine der größten
Brauereien der Region. Warum das so ist,
ist kein Zufall: Der Standort brachte vor
allem früher einen einzigartigen Vorteil
gegenüber der Konkurrenz. Windröhren
im Berg sorgten für einen Luftwechsel,
selbst im Sommer waren die Tempera-
turen am Fuße optimal, um dort jederzeit
Bier kühlen zu können.
Auch in der Gegenwart hat der Standort
ein Alleinstellungsmerkmal. 2011 wur-
de die Produktion großer Mengen her-
kömmlicher Biersorten eingestellt, es
entstehen hier neue Bierkreationen un-
ter Aufsicht des Braumeisters Günther
Seeleitner. Auch heute wird großteils
handwerklich produziert. „Wir füllen jede
Flasche händisch ab und etikettieren
auch so“, sagt Seeleitner. Neben den drei
Hauptsorten Kaltenhauser Kellerbier,
Original und 1475 Pale Ale wird seit 2012
mit besonderen Geschmacksrichtungen
experimentiert. Erster Versuch: „Cherry
Style“ – zur Gärung wurde Kirschsaft-
konzentrat von Sauerkirschen verwen-
det. Wir spazieren mit Seeleitner in den
Ausstellungsbereich, in dem Gäste bei
Führungen über die geschichtsträchtige
Vergangenheit der Brauerei informiert
werden, natürlich wird auch Bier verkos-
tet.
Neue gesellschaftliche
Akzeptanz
Der Braumeister stellt uns seine erste
Kreation, das Cherry Style, in einem ge-
schwungenen Glas mit dünnem Stil auf
den Tisch. Aus herkömmlichen Seidel-
und Halbegläsern werden die Spezial-
sorten nicht getrunken, in den Gläsern,
in denen man normalerweise Wein er-
warten würde, soll das Geschmackser-
lebnis intensiver sein. Und wie ist die-
ses Geschmackserlebnis nun? Fruchtig,
leicht säuerlich, definitiv nicht zu verglei-
chen mit den bisherigen Bieren im Leben
des Autors dieser Zeilen. „Am Anfang
waren einige unserer Gäste etwas scho-
REDAKTION_VALENTIN LISCHKA
ART DIRECTION_ALEXANDRA AUBÖCK
FOTOGRAFIE_MARIO RIENER