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etwas gelassener, wenn es um Konflik-
te, Auseinandersetzungen oder Prob-
lemlösungen geht.“ Das Argument der
zu hohen Lohnkosten stimmt laut Ger-
storfer großteils ebenfalls nicht: „Die
meisten älteren Beschäftigten sind
beim Einstieg in ein neues Arbeitsver-
hältnis beim Gehalt kompromissbereit.“
Verändertes
Bewerbungsverhalten
Ob Weißmann von der Eingliederungs-
beihilfe auch nachhaltig profitiert,
weiß die 51-Jährige noch nicht. Sie
hatte von Beginn an ein auf die Saison
der Flugschule befristetes Arbeitsver-
hältnis. Generell gibt es keine Behal-
tepflicht für Firmen, die AMS-Mittel
nutzen. „Es fällt uns aber auf, wenn
jemand eine förderbare Person nach
der anderen einstellt. Dann werden
wir aktiv“, sagt Gerstorfer. Wie nach-
haltig die Maßnahmen seien, könne
man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
sagen, dazu gebe es noch zu wenige
wissenschaftliche Evaluierungen. Die
Eingliederungsbeihilfe gibt es seit dem
Frühjahr 2014 und rund zwei Drittel
der Beschäftigungsverhältnisse seien
dauerhaft.
Generell bräuchten ältere Arbeitssu-
chende keine andere Bewerbungs-
strategie, sondern Arbeitssuchende
aller Altersstufen müssten sich stark
an den Wünschen der Unternehmen
orientieren. Es habe sich das Bewer-
bungsverhalten laut Gerstorfer insge-
samt verändert: „Man muss sich heute
anders bewerben als noch vor 20 Jah-
ren. Der Bewerbungsprozess dauert
länger, es gibt viele unterschiedliche
Schritte im Auswahlprozess. Die Lea-
singbranche ist ein großes Thema am
Arbeitsmarkt geworden: „Viele Unter-
nehmen rekrutieren Arbeitskräfte nur
mehr über Leasing.“ Von Bedeutung
bei der Arbeitssuche seien auch per-
sönliche Kontakte und besonders bei
sehr gut qualifizierten Arbeitssuchen-
den soziale Netzwerke. „Wenn sich
aber jemand schämt, weil er arbeits-
los geworden ist und das niemandem
erzählt, dann tun sich diese Möglich-
keiten nicht auf“, so Gerstorfer und
rät, die Arbeitssuche großflächig zu
erzählen und den Bekanntenkreis zu
informieren.
Ein schon seit längerer Zeit beliebtes
AMS-Fördermittel sei das Unterneh-
mensgründungsprogramm, das auch
Gerhard Heilinger und Györgyi Palotas
genutzt haben. „Viele haben Know-
how, Erfahrungen und Kontakte, die
sie auf dem Weg in die Selbständigkeit
einbringen können“, sagt Gerstorfer.
Einen besonderen Förderbedarf sieht
Gerstorfer noch bei den Beschäfti-
gungsprojekten am zweiten Arbeits-
markt: „Es gibt Menschen, die sind am
normalen Arbeitsmarkt nicht integ-
rierbar und da braucht es einfach an-
dere Angebote als den normal geför-
derten Arbeitsmarkt.“ Generell gebe
es ein zu geringes Wirtschaftswachs-
tum, damit auch wieder Personen
mit einem gewissen Vermittlungshin-
dernis für Unternehmen interessant
werden und es ist „schwer, ohne hö-
herem Wirtschaftswachstum höhere
Beschäftigung, die etwa auf Grund von
Migration und höherer Erwerbstätig-
keit der Frauen basiert, zu schaffen.“_
Györgyi Palotas
Selbständige Personal-
verrechnerin, 52 Jahre
Mit dem Gedanken der Selbstän-
digkeit hat Györgyi Palotas schon
sehr lange gespielt. Aber die
Konkurrenz ist groß und dement-
sprechend lange hat die 52-Jäh-
rige gezögert. Nachdem sie ihren
Arbeitsplatz verloren hatte, wurde
der Wunsch nach Selbstverwirk-
lichung größer. Mitte Juli war es
soweit und sie hat in einem klei-
nen Büro in der privaten Wohnung
als selbständige Personalverrech-
nerin zu arbeiten begonnen. Das
AMS-Unternehmensgründungs-
programm bezeichnet Palotas als
„sehr hilfreich“ und „einen sanften
Einstieg in die Selbständigkeit“:
„Ich konnte meine Gründung in
Ruhe vorbereiten.“ Die Linzerin
kann zwar auf eine lange Berufs-
praxis blicken, hatte aber noch
keine Erfahrungen in Neukun-
dengewinnung, Marketing und
Verkauf und besuchte daher in
diesen Bereichen Kurse anlässlich
des AMS-Programmes. Jetzt ist
Palotas überzeugt: „Wenn man
gut vorbereitet ist und es wirklich
will, dann spielt das Alter für eine
Unternehmensgründung keine
Rolle.“
Wenn man gut vorbereitet
ist und es wirklich will, dann
spielt das Alter für eine
Unternehmensgründung keine
Rolle.
Die Arbeitslosenquo
te
bei den Älteren
betrug
6,6 Prozent, insgesamt gab
es eine Arbeitslosenquote
von 6,3 Prozent in OÖ und
9,4 Prozent in Österreich
im ersten Halbjahr 2015.