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ROLLENBILDER UND INDIVIDUALISIERUNG
Der Megatrend Individualisierung hängt eng mit der Veränderung des Rollen-
bildes zusammen. Es bilden sich vielfältige Lebensstile, die sich nicht mehr in
die sozialen Geschlechterrollen einteilen lassen. Vor zwölf Jahren hat sich das
Zukunftsinstitut (www.zukunftsinstitut.de) zum ersten Mal in einer großen Stu-
die mit dem Megatrend Frauen und der Veränderung ihrer Rolle beschäftigt,
nun gehen sie mit der Trendstudie Gender Shift einen nächsten Schritt. Denn
die Wahl der eigenen Rolle wird immer individueller. Zukunftsforscherin Ve-
rena Muntschick nennt das Beispiel, dass etwa der Mann zu Hause bleibt und
sich um die Kinder kümmert und damit eigentlich eine Frauenrolle einnimmt.
„Typische Männer- und Frauenrollen kann man nicht mehr beschreiben“, er-
klärt Muntschick den Trend vom Female Shift zum Gender Shift. Bei der Gen-
derdiskussion habe man in der Vergangenheit auch auf die Männer vergessen,
so Harry Gatterer, Trendforscher und Geschäftsführer des Zukunftsinstituts,
bei einem Vortrag beim Frauen-Zukunftsforum.
Es ist ein langer, schleichender Prozess, der noch ein paar Jahrzehnte dauern
wird, bis Geschlechterrollen tatsächlich keine Relevanz mehr haben werden.
Dazu passe auch, dass aktuell der Feminismus wieder heiß diskutiert wird und
man zum Teil versucht, bestimmte Frauen- und Männerrollen zu stärken und
zurückzuholen. „Das ist ein Ausdruck davon, dass sich die sozialen Geschlech-
terrollen verändern“, erklärt Muntschick. Conchita Wurst ist ein Ausdruck des
beobachteten Trends.
Dass Geschlechterrollen irgendwann überhaupt keine Relevanz mehr haben
werden, glaubt Ulrike Rabmer-Koller, Landesvorsitzende von Frau in der
Wirtschaft Oberösterreich, nicht. „Ich bin sicher, dass sie auch weiterhin eine
große Rolle spielen werden, es gibt unterschiedliche Zugänge von Frauen und
Männern, darum bin ich auch eine Verfechterin von gemischten Teams, und
dass Frauen und Männer in allen Bereichen gleichberechtigt miteinander
arbeiten“, sagt sie. Individualität bedeutet für sie, kreativ zu sein und seine ei-
genen Talente zu leben, auch beruflich die eigenen Talente zu nützen. „Da gibt
es noch einen weiten Weg“, sagt sie. Rabmer-Koller fordert eine Potentialana-
lyse, damit jeder Jugendliche seine Talente erkennen und sich dann dement-
sprechend am Arbeitsmarkt oder bei der Ausbildung danach orientieren kann.
„Derzeit weist unser Bildungssystem eher auf Schwächen hin anstatt Stärken
und Talente zu fördern, das steht im Gegensatz zum Individualismus“.
Der Anteil der unternehmerisch tätigen Frauen liegt in Österreich bei 35
Prozent. Warum verwirklichen sich Männer deutlich öfter selbst im Beruf als
Frauen? „Das hängt meist mit einer schlechten Vereinbarkeit von Familie und
Beruf zusammen“, sagt Rabmer-Koller. Während Frauen bei Matura- und Stu-
dienabschlüssen vor Männern liegen, würden sie nach der Familiengründung
oft zurückfallen. In Oberösterreich liegt der Anteil weiblicher Unternehmer
jedoch schon bei 45 Prozent, bei den Neugründungen sind es sogar 47 Prozent.
Warum ist hier der Schnitt viel höher? „Vielleicht auch wegen der Vorbild-
funktion der Frauen, die bereits erfolgreich sind“, sagt Rabmer-Koller. Solche
Frauen zeichnet „Frau in der Wirtschaft“ aus – einmal pro Monat wird eine
„Unternehmerin des Monats“ in den Mittelpunkt gestellt.
ela Hochmuth, Profi-Snowboarderin und
Aktivistin, aus Erfahrung: „Ich bin schon
mehrmals ordentlich auf die Nase gefal-
len.“ Die 26-Jährige hatte schwere Unfälle
beim Snowboarden. Einmal gab sie kurz
zuvor einen hoch dotierten und angese-
henen Job in der Schweiz auf: „Da bin ich
in ein großes Loch gefallen.“ Sie hat sich
aber wieder aufgerappelt und resümiert:
„Wir hängen uns an Handicaps und nüt-
zen unsere Energie, um die Situation noch
schlechter zu machen, anstatt darüber zu
stehen und unsere Energie für bewältigba-
re Projekte einzusetzen.“
Die Experten sind sich großteils einig – der
Megatrend Individualisierung wird noch
deutlich spürbarer werden. Die Zeit des
Mitschwimmens mit der Masse ist in vie-
len Branchen vorbei – derartige Branchen
wo das möglich war, funktionieren immer
schlechter. Den Spinnern, Querdenkern
und Visionären gehört die Zukunft. Lassen
wir uns überraschen. _
Derzeit weist unser
Bildungssystem eher auf
Schwächen hin anstatt Stärken
und Talente zu fördern, das
steht im Gegensatz zum
Individualismus.
ULRIKE RABMER-KOLLER
Landesvorsitzende, Frau in der Wirtschaft