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tels. Wirtschaftlich ist das nicht, aber es
ist seine Philosophie und Überzeugung,
die er lebt. Ein verrückter Querdenker, der
sich ständig etwas Neues einfallen lässt.
Unkonventionell, aber nie zum Nachteil
seiner Gäste.
Die Kultur, dass Menschen etwas Neues
ausprobieren und eigene Ideen umset-
zen wollen, wächst. Nicht nur Unterneh-
mer, sondern auch Angestellte möch-
ten sich wieder mehr entfalten. Verena
Muntschick, Zukunftsforscherin beim
Zukunftsinstitut erklärt: „Menschen wer-
den nicht mehr in bestimmte Verhältnisse
hineingeboren und dadurch beschränkt.“
Zukunftsforscher beobachten den Mega-
trend Individualisierung schon mehrere
Jahrzehnte, in jüngster Zeit wird als Sub-
trend eine neue Wir-Kultur beobachtet.
„Es werden neue Gemeinschaften gebildet,
die nicht mehr so zwangsläufig sind“, so
Muntschick. Man sei etwa nicht mehr sein
Sepp Greil, 50 Jahre
HOTEL „DER GREIL“, SÖLL IN TIROL / WILDER KAISER
Der Hotelier Sepp Greil könnte noch viel mehr Zimmer vermieten. Doch
anstatt sein kleines 4-Stern Hotel zu vergrößern und daraus Profit zu schlagen,
investiert er ausschließlich in die Qualität. Aufs Dach kommt eine zusätzliche
Panoramaterrasse mit Whirlpool, aus zwei Suiten baut er eine "stille Alm" mit
Wasserbetten und offenem Kamin. Koch Reini bekommt alle Freiheiten, um
vom Hummer über frischen Thunfisch und Austern die teuersten Spezialitäten
einzukaufen und im Rahmen der Halbpension zu servieren. Barchef Heribert
ist als Diplomsommelier immer auf der Suche nach Wein- und Spirituosen-
Raritäten – ganz zu schweigen von der Weinglas-Kultur, seinem Spezialgebiet.
Kürzlich präsentierte er eine neue Idee: die weltweit erste Wein-Glas-Karte.
Sie liefert zu allen im Hotel erhältlichen Weinen eine Beschreibung des per-
fekten Glases mit. So soll sich der Wein bestmöglich entfalten.
Greil setzt ohne Kompromisse auf Qualität und Persönlichkeit. "Der Urlaub ist
die kostbarste Zeit im Jahr, da geht es nicht um 100 Euro mehr oder weniger,
sondern darum, die beste Qualität in einem gemütlichen und entspannten
Umfeld zu bekommen. Es gibt viele 5-Sterne Hotels, sauteuer, saugut aber
auch total steif und unpersönlich“, sagt Greil. Da würde man nicht entspan-
nen. Es geht ihm um die Menschen, um Ehrlichkeit, um Gemütlichkeit. „Und
wenn man dann an einem Abend mal ein Glas zu viel trinkt, weil es so gesellig
war, dann ist das auch gut – nach einem harten Arbeitsjahr hat man sich das
verdient“, sagt er.
Man kennt Sepp Greil in der ganzen Region – in den Medien wurde er schon
als "Asterix der Alpen" bezeichnet. Der Tourismusverband ist nicht immer
glücklich mit ihm – er kocht einfach immer seine eigene Suppe. Als er vor
rund zehn Jahren versucht, auf den Punkt zu bringen, was ihn und sein
Hotel auszeichnet, verzweifelt er fast. Keine Agentur kapiert, worum es ihm
geht – Ehrlichkeit, Bodenständigkeit, Persönlichkeit, Qualität. Doch dann ein
Geistesblitz von ihm und Partner Andreas Unterlechner aus dem Pillerseetal:
"Mit Tiroler Herzblut". Aus dem neuen Slogan wird schnell eine Marke, aus der
Marke ein Hotelverbund. Sie nehmen vergleichbare Betriebe in das Netzwerk
auf, und geben dem Kind einen Namen. In Deutschland ist die Marke weithin
bekannt. Mittlerweile haben sich auch zahlreiche Almhütten der Herzblut-
Gruppe angeschlossen. Es gibt ein Produktsortiment vom Herzblut-Schnaps
bis zum eigenen Herzblut-Goldschmuck.
Mit Gold machte Greil schon einmal Schlagzeilen: Kitzbühel, 20 Autominuten
von Söll entfernt. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung wird eine zwei Meter
große goldene Gams vom Kitzbüheler Hahnenkamm-Jubiläum versteigert.
Auch Greil und Unterlechner sind eingeladen. Als die Versteigerung losgeht,
ist die Stimmung bereits ausgelassen. Russen bieten für die Skulptur aus Gold,
dann Engländer, dann ein Deutscher. „Was geht denn hier ab“, denkt sich Greil,
„wir können doch die Gams nicht ins Ausland verkaufen“. Völlig unüberlegt aus
einer Laune heraus hebt er die Hand. Als er dann tatsächlich den Zuschlag für
32.000 Euro bekommt, vergeht ihm kurz das Lachen. Was tun mit der golde-
nen Gams? Mittlerweile ist sie ein Stück Greil-Geschichte. Unzählige Promis
haben darauf in seiner Tiroler Stube unterschrieben – sie wollten den Hotelier
kennenlernen, als sie in der Gegend waren.
Wie bei der Auktion ist bei Greil nicht alles überlegt, sondern vieles impulsiv
aus dem Bauch heraus entschieden. Er ist überzeugt, dass das der richtige
Weg ist. Eine Sache hat er sich aber gut überlegt: Sonderangebote lehnt er
ab. "Ich sitze lieber mal in der Nebensaison mit 20 zufriedenen Gästen in der
Stube, wo jeder weiß, dass er den besten, weil gleichen Preis bekommen hat,
als dass ich das Haus über Diskont-Reiseveranstalter zu Billigpreisen anfüllen
lasse“, sagt er. Schleuderpreise in der Nebensaison? Für ihn undenkbar. Greil:
„Die Qualität hat ihren Preis, ich hab nichts zu verschenken, im Vergleich zu
Top-Hotels in Ischgl, Kitzbühel oder Saalbach sind wir ohnehin spottbillig.
Wem es das nicht Wert ist, der soll woanders hinfahren“.
Man muss das tun,
wovon man selbst
überzeugt ist.
SEPP GREIL
Hotelier