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GERHARD WÖLFEL
_Miteinander reden und
Sinnvermittlung sind dabei ganz wesent-
liche Themen. Wir organisieren zum Bei-
spiel regelmäßig Mitarbeiter-Geschäfts-
führer-Dialoge mit circa 20 Leuten, vom
Bandarbeiter bis zum Leiter. Dabei geht’s
einfach darum, sich in sehr vertraulichem
Rahmen gegenseitig auszutauschen und
wirklich ehrlich zu sein. Mich interessiert
die Stimmung und ich biete auch an, mit
Gerüchten aufzuräumen. Das ist toll, wie
die Leute sich dabei öffnen und daraus
eine Diskussion entsteht, die das Unter-
nehmen weiterbringt, weil wir danach et-
was verändern.
Stichwort Diskussion und Veränderung.
Welche Veränderungen erwarten Sie
sich von der Politik in Bezug auf den
Standort Oberösterreich?
GERHARD WÖLFEL
_Also der Standort ist klasse
– lassen’s mich das einfach mal so sagen
(er lacht), sonst wäre ich nicht sechs Jahre
hier. Das ist mein bisher längster Einsatz
und ich hoffe, dass er noch lange andauert.
Insofern ist der Standort wirklich ein sehr,
sehr schöner aus verschiedenen Gründen.
Zum Einen sind wir das größte Motoren-
werk hier in der Group und produzieren
zur Zeit etwa 50 Prozent aller Motoren, die
unser Unternehmen braucht – wobei wir
auch schon mal 75 Prozent produziert ha-
ben. Das Einzigartige am Standort ist die
Flexibilität. Wir haben hier Menschen mit
Leidenschaft, mit hoher Leistungsbereit-
schaft, die einfach, wenn sie das „Warum“
kennen, auch das „Wie“ ermöglichen. Es
gibt das, was wir „Steyrer-Geist“ nen-
nen. Gemeinsam können wir innerhalb
kürzester Zeit schnell vieles erreichen.
Das geht bis hin zur Sonntagsarbeit, die
wir in zwei, drei Linien gebraucht haben,
weil eine hohe Nachfrage von einem Pro-
dukt herrschte. Hätten wir auf diesen
Linien keine Sonntagsarbeit hinbekom-
men, dann hätten wir ein Problem gehabt.
Doch wir hatten wesentlich mehr Freiwil-
lige als wir gebraucht haben. So viel zur
Leistungsbereitschaft der Österreicher!
Deswegen ist Steyr ein toller Standort, an
dem es Spaß macht, zu arbeiten und den
man hier führen darf. Die andere Seite von
Oberösterreich ist aber das Thema Wett-
bewerbsfähigkeit. Diese Flexibilität, die
ich angesprochen habe, die erkaufen wir
uns ja teilweise sehr teuer. Und dann ste-
hen wir zwischenzeitlich in einem Wettbe-
werb mit anderen Standorten, auch BMW-
intern. Das macht mir schon Sorgen – weil
der Standort neben dem Thema ‚teuer
erkaufte Zeit’ hohe Steuern hat, hohe
Lohnnebenkosten und da hat Österreich
in den letzten fünf, sechs Jahren gegen-
über Deutschland klar verloren – hinzu
kommen ja auch noch Auflagen, Bürokra-
tisierung, Überregulierung. Wir können
nur mahnend den Finger Richtung Politik
heben und sagen: Passt’s auf, da hat sich
etwas zum Negativen verändert, wir müs-
sen hier wieder andere Rahmenbedingun-
gen schaffen! Es ist ja auch schon passiert,
dass eine Linie, die ursprünglich für Steyr
geplant war, letztlich an einem anderen
Standort aufgebaut wurde.
Höchste Zeit also, dass etwas passiert?
GERHARD WÖLFEL
_Höchste Zeit! Wir ha-
ben eine hohe Auslastung und investie-
ren kräftig in den Standort. Aber Erfolg
ist kein Selbstläufer, nichts ist in Stein
gemeißelt und letztendlich stehen wir
im Wettbewerb. Da hat die Politik eine
hohe Verantwortung, die Attraktivität des
Standortes zu sichern. Wir sind auch im-
mer gern dabei, wenn es um Diskussio-
nen mit der Politik geht und geben unsere
Empfehlungen ab. Aber es wird halt Zeit,
dass man nicht bloß darüber redet, son-
dern handelt. Es gibt ein paar gute Ansät-
ze wie die Forschungsprämie von zehn auf
zwölf Prozent zu erhöhen – aber das allein
reicht nicht.
Was braucht es noch dringend?
GERHARD WÖLFEL
_Es fängt an bei den Kin-
dergärten und Schulen, geht über Woh-
nungsangebote und Straßenverbindun-
gen bis hin zum Thema Zuwanderung.
Ohne Zuwanderung werden wir auf Dauer
nicht überleben – wir werden durch den
demographischen Wandel irgendwann
nicht mehr die Leute haben, die die un-
terschiedlichen Tätigkeiten machen kön-
nen. Jetzt spüren wir das noch nicht so
sehr – wir sind eine starke emotionale
Marke, bei uns klopfen die Leute noch
an und wollen gerne hier arbeiten. Aber
insgesamt herrscht ein akuter Fachkräf-
te- und Lehrlingsmangel. Da muss man
was dagegen tun, und zwar jetzt! Die Zeit
holen wir nicht mehr auf, wenn wir noch
länger warten.
Internationalisierung spielt dabei
eine große Rolle?
GERHARD WÖLFEL
_Ja, eine sehr große! Es ist
wichtig, dass wir die Menschen überall
in die Welt schicken können. Wir un-
terstützen aus Steyr die Motorenwerke
in China und England. Wenn nun das
Thema Internationalisierung nicht posi-
tiv aufgenommen wird, dann ist das ein
Problem. Nicht alle Österreicher sind
dafür zu begeistern, für gewisse Zeit in
anderen Ländern zu arbeiten. Was kein
Wunder ist, wir brauchen offenere Syste-
me - für Neuankömmlinge in Österreich
wie für Rückkehrer. Wir haben viel zu
wenige englischsprachige Kindergärten
und ein Schulsystem, das Reintegration
betreibt. Ich weiß, wovon ich rede, weil
meine Tochter vor dem Problem stand,
dass sie in England Matura gemacht hat
und in Deutschland nicht auf die Uni ge-