32
Doris Hummer
Bildungslandesrätin
die richtiGe richtunG
_Ich selbst habe nicht immer gewusst, wohin der be-
rufliche Weg gehen soll. Man sollte jedoch immer mit offenen Augen durchs
Leben gehen und zum gegebenen Zeitpunkt auch den Mut haben, „Ja“ zu den
Chancen zu sagen, die sich einem bieten. Wofür ich mich schließlich entschei-
de, das übe ich immer mit vollem Engagement und Leidenschaft aus – man
sollte keine halben Sachen machen.
entscheidunG – lehre oder Matura
_Diese Entscheidung ist mir nicht schwer
gefallen. Die Matura und ein anschließendes Studium waren für mich immer
klare Ziele, da es zu meiner Zeit noch nicht die Durchlässigkeit der dualen
Ausbildung gegeben hat.
Was Mich daMals beeinflusst hat
_Ich habe eigentlich gar nicht so viel darüber
nachgedacht, ob ich Matura oder Lehre machen soll. Für Mädchen meiner
Generation lautete die Frage lediglich: Wenn Matura, dann HAK oder HBLA?
Doch selbst diese Entscheidung ist mir im Endeffekt leicht gefallen: Kochen
und Handarbeit zählen nämlich nicht gerade zu meinen Stärken.
lehre oder Matura bei unentschlossenheit?
_Dieses „oder“ gibt es nicht mehr.
Ich würde Lehre UND Matura empfehlen. Aber diese Entscheidung hängt
natürlich in erster Linie von den Interessen und der bevorzugten Lernform –
Schulbank versus Praxislernen – ab.
Was beiM entscheiden hilft
_Offene Gespräche mit Familie, Eltern, Freun-
den und Pädagogen. Darüber hinaus sollte man auch das breite Angebot an
professioneller Beratung in diesem Bereich in Anspruch nehmen – vor allem
wenn man noch nicht genau weiß, wohin der eigene Weg gehen soll.
Was tun, Wenn die entscheidunG doch nicht die richtiGe War?
_Das ist über-
haupt nicht schlimm, denn eine falsche Entscheidung hilft einem herauszufin-
den, was man nicht will. Und es gibt immer Möglichkeiten für einen Umstieg.
auf der suche nach deM trauMberuf
_Aus meiner Sicht sollten junge Leute das
breite Angebot nutzen, das ihnen heute in diesem Bereich geboten wird: eine
Schnupperlehre machen, Ferialjobs annehmen, sich bei Infoveranstaltungen
und Projekttagen wie dem Girls’ Day informieren. Es kann auch sehr span-
nend sein, sich mit Eltern, Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten
über deren Arbeit auszutauschen.
gibt bei den Schülern sehr viel Poten-
zial. Aber du brauchst in diesem Alter
jemanden, der dir ohne Druck entge-
gentritt.“ Wie stark der Druck von au-
ßen sein kann, hat Reisecker selbst
gespürt – und war überrascht. „Ich war
verwundert, wie sehr man vom Umfeld
bewertet wird. Ich wurde immer wieder
gefragt: Was verdient man als Doku-
mentarfilmer? Kannst du davon leben?
Was tust du, wenn du ausgeträumt
hast?“ Oft sei es schwer gewesen, mit
diesem Druck umzugehen. Vor allem,
als er seine Stelle als Kunststofftech-
niker kündigte. Viele seiner Bekannten,
sowohl junge als auch ältere, meinten,
er könne so einen Super-Job nicht ein-
fach aufgeben. Mit der Zeit wurde er
aber gelassener und dachte sich: „Was
soll mir passieren? Ich habe eine Lehre
und ein Studium.“
Am falschen weg?
Dass junge Menschen nicht immer so-
fort den für sie richtigen Weg einschla-
gen, zeigt die Abbruchquote an der JKU.
Vierzig Prozent seien laut Brandstätter
eine untere Schätzung. Da Studienab-
brüche und -wechsel Frustrationen und
finanzielle Kosten für Studierende und
Universitäten verursachen, müsse die-
ser Prozentsatz gesenkt werden. Ein
genereller Zeitpunkt, ab wann festste-
he, dass ein Studium falsch sei, lasse
sich nicht nennen. Hier helfen aber zwei
Richtlinien: „Erstens sollen ,versunkene
Kosten’ keine Rolle spielen. Versunkene
Kosten bezeichnen bisherige Investitio-
nen – etwa nach dem Motto: ,Jetzt habe
ich schon drei Semester studiert und es
wäre doch schade, wenn dies umsonst
war’. Diese Denkweise ist irrational, da
sowohl die Fortsetzung des ungeliebten
Studiums als auch der spätere unge-
liebte Beruf weitere (psychische) Kosten
verursachen. Zweitens helfen ,Dead-
lines’ enorm. Bevor eine Entscheidung
(Studienabbruch: ja oder nein?) endlos
hinausgezögert wird und die Frustration
dadurch kontinuierlich ansteigt, beendet
die Deadline diese Unentschlossenheit.
,Wenn ich bis Ende des Sommersemes-
ters nicht mindestens 35 ECTS Punkte
geschafft habe, beende ich mein Studi-
um’, wäre ein Beispiel für eine Deadline“,
erklärt Brandstätter.
Für Michael Reisecker macht es aus
heutiger Sicht Sinn, wie sein Karrie-