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5 buchtipps 

von JoHanna racHinger

Schachnovelle 

von

 

STEFAN ZWEIG

Die „Schachnovelle“ ist ein grandioses 
Kammerspiel und erschütterndes Zeug-
nis zugleich. Es zeichnet das Treffen zwei-
er Genies auf einem Passagierdampfer 
von New York nach Buenos Aires nach, 
auf dem sich der amtierende Schachwelt-
meister und der Ich-Erzähler begegnen – 
ein namenloser Österreicher, der vor den 

Nazis ins südamerikanische Exil flüchtet. 
Stefan Zweig hat die Publikation seines 
letzten Werkes 1942 nicht miterlebt – er 
nahm sich einige Monate davor zusam-
men mit seiner zweiten Frau das Leben: 
Verzweifelt über seine Situation im bra-
silianischen Exil und die Wirklichkeit des 
NS-Regimes.

Die Wand 

von MARLEN HAUSHOFER

Ein verstörendes Szenario entwirft Marlen 
Haushofer in ihrem 1963 erschienenen 
Roman: Eine 40-jährige Frau erwacht in 
einer einsamen, im Gebirge gelegenen 

Jagdhütte. Sie hat Urlaub, sie vermisst 

das befreundete Ehepaar und macht sich 
auf die Suche. Dabei stößt sie auf eine un-
sichtbare, gläserne Wand – und erkennt 
auf der anderen Seite offensichtlich tote 
Menschen. Sie ist gefangen, die einzige 

Überlebende einer Katastrophe … Fulmi-
nant erzählt die Oberösterreicherin von 
Einsamkeit und Trauer, von behutsamen 
Kontakten zur Natur und den überleben-
den Tieren. Der Roman wurde als Kampf-
ansage gegen das Patriarchat gehandelt, 
als radikale Zivilisationskritik, als Anti-
Atomkraft-Roman, und auch verfilmt. In 
den Hauptrollen: Martina Gedeck und eine 
unsichtbare, gläserne Wand.

Das große Heft 

von ÁGOTA KRISTóF

In nur 62 kurzen Eintragungen erzählt ein 

Zwillingspaar von der Brutalität und Sinn-

losigkeit des Zweiten Weltkriegs. Dieses 
große Notizheft geht nahe wie kein ande-
res Buch. Keine Namen werden genannt, 
die Personen sind austauschbar. Es gibt 
nur das „wir“ der beiden Geschwister, nur 

„unsere Großmutter“, „den Pfarrer“, „den 

Schuster“, „den Offizier“. Der Antikriegs-

roman erschien 1986 und war das erste 
Buch der gebürtigen Ungarin Ágota Kristóf, 
die 1956 zuerst nach Österreich und dann 
in die Schweiz flüchtete. Ihre Bücher gel-
ten als dunkel und schwierig. Dunkel sind 
sie, düsterer könnten sie kaum sein. Aber 
schwierig sind sie nicht, im Gegenteil: Ein-
facher hat kaum jemand über die Folgen 
eines Krieges geschrieben.

Alte Meister 

von THOMAS BERNHARD

Thomas Bernhard ist ein genial zynischer 

Meister der Übertreibung, der bis heute 
polarisiert. „Alte Meister“ spielt im Kunst-
historischen Museum in Wien, das der 
Musikkritiker Reger manisch regelmäßig 
besucht. Er trifft auf den Ich-Erzähler des 

Buches, den Schriftsteller Atzbach, der Re-
gers zynische Monologe referiert – über die 
Lächerlichkeit von Kunst, über das Leben 
im Allgemeinen und Österreich im Speziel-
len. Die Wortkaskaden sind nicht leicht zu 
lesen – aber sie lohnen sich.

„roman ohne u“  

von JUDITH W. TASCHLER

„Roman ohne U“ ist das bereits dritte Buch 

von Judith W. Taschler, einer gebürtigen 
Oberösterreicherin, die mittlerweile zu den 
renommiertesten jüngeren österreichi-
schen Autorinnen gehört. Sie erzählt dar-
in eine vielschichtige, raffiniert angelegte 
Familiengeschichte, die zeitlich zwischen 
dem vermeintlichen Weltuntergangsda-

tum, dem 21. Dezember 2012, und dem 
Ende des Zweiten Weltkriegs ein weites er-
zählerisches Netz spannt. Wieder zeigt sich 
die Autorin als eine Meisterin unerwarteter, 
überraschender Wendungen. Es ist ein 
Buch, das von den ersten Seiten an fesselt 
und in seinen Bann zieht.