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aber nicht, denn schon steht sie vor der
nächsten Herausforderung: einer Re-
flexionsübung, in der sie ihre Gedanken
über die eben gemachte Gruppenübung
in einem kleinen Aufsatz zusammen-
fassen muss. Danach hat sie fünfzehn
Minuten Zeit, sich für eine zehnminü-
tige Selbstvorstellung vor zwei Asses-
soren vorzubereiten. In einem kleinen
Besprechungsraum erzählt Marlene
Stocker über ihre persönlichen Stärken
und Talente, über ihre Motive für einen
Berufseinstieg im Bereich Marketing,
ihre Ausbildung und ihre Zielsetzun-
gen. Danach stellen die beiden Beob-
achter jede Menge Fragen. Das wusste
sie im Vorhinein. Was sie nicht wusste:
Dass sie einen Teil dieser Fragen auf
Englisch beantworten soll. Kaum hat
sie den Besprechungsraum verlassen,
machen sich die beiden Beobachterin-
nen daran, die Anforderungen an die
Teilnehmerin mithilfe eines Punktesys-
tems zu bewerten.
Wieder einmal fällt Marlene Stocker ein
Stein vom Herzen. Es ist mittlerweile
nach Mittag, sie gönnt sich einen Kaf-
fee und zwei Brötchen am Buffet, das
den Teilnehmern jederzeit zur Verfü-
gung steht. Immerhin kann sie ein we-
nig Stärkung gebrauchen, steht doch
als Nächstes die Vorbereitung einer
Casestudy auf ihrem Terminkalender,
deren Rahmenkonzept sie nach 45 Mi-
nuten wieder vor zwei Beobachtern prä-
sentieren muss. „In Fallbeispielen wird
vor allem das analytische und konzep-
tionelle Denkvermögen der Teilnehmer
hinterfragt“, erklärt Anna Hundstorfer.
Dabei komme es weniger darauf an, die
perfekte Lösung zu finden, als vielmehr
Dinge zu hinterfragen, logische Schlüs-
se zu ziehen und das Ziel nicht aus den
Augen zu verlieren.
Echtheit überzeugt
Nach einem kurzen Tratsch am Buffet
mit anderen Teilnehmern, muss Mar-
lene Stocker einen Excel-Test machen.
„Oh Gott, ich denke, dabei ging es wohl
darum, meine Belastbarkeit zu tes-
ten“, sagt sie und schmunzelt. Denn
dieser Test sei unglaublich schwierig
gewesen. Doch nun neigt sich der Tag
auch schon dem Ende zu, nur noch eine
letzte Übung steht am Programm: Die
elf Teilnehmer werden in zwei Gruppen
geteilt und müssen zum Thema „Wie
man eine Marketingstrategie perfekt
umsetzt“ diskutieren. Dabei werden
von den Beobachtern wieder Kommuni-
kation, Kontaktfähigkeit und Auftreten
sowie soziale Kompetenz und Teamfä-
higkeit beobachtet. Ob sich nun schon
gewisse Favoriten herauskristallisiert
haben? „Natürlich können sich die
Beobachter nach den Übungen schon
ein sehr gutes Bild von den einzelnen
Bewerbern machen und haben daher
gewisse Präferenzen. Aber zu einer
Entscheidung kann das jeweilige Un-
ternehmen erst im Anschluss bei einer
gemeinsamen Analyse aller Bewerber
kommen, wenn alle Beobachtungen
über die Teilnehmer zusammengefügt
werden“, so Hundstorfer.
Ein Jahr später in der Abteilung „Stra-
tegisches Marketing“ bei dem Welser
Unternehmen. Nein, Marlene Stocker
sitzt hier nicht an einem der Plätze. Die
Entscheidung fiel damals auf zwei an-
dere Bewerberinnen. Das Assessment
Center blieb ihr dennoch in guter Er-
innerung. „Es war ein sehr spannender
Tag, der mir viel gebracht hat. Einerseits
bekam ich einen interessanten Einblick
in die Firma, andererseits konnte ich
mit dem Feedback über meine Teilnah-
me sehr viel anfangen“, erzählt sie. Und
noch etwas ist ihr von jenem Tag geblie-
ben – der Kontakt zu Rita Huber (Name
von der Red. geändert). Sie hatte sich
damals gemeinsam mit einer weiteren
Bewerberin durchgesetzt und konnte
nun in ihrem ersten Jahr viele Erfah-
rungen – darunter auch internationale
– sammeln. „Das ist genau der Job, der
zu mir passt“, schwärmt die 30-Jährige.
Wobei sie gerne ihren Verantwortungs-
bereich erweitern möchte. „Das Poten-
zial der Mitarbeiter zu erkennen und zu
fördern, das ist eines der Geheimnisse
von erfolgreichen Unternehmen“, sagt
Sabine Griesser, Senior Consultant im
Bereich Human Capital bei Deloitte.
Dieses Potenzial zu erkennen, sei aber
nicht immer einfach. „Ein sehr gutes
Instrument dazu ist die Potenzialana-
lyse“, so Griesser. „Wobei es nicht in
unserem Sinn ist, unseren Kunden ein-
fach ein Testverfahren anzubieten. Wir
sehen das vielmehr als begleitenden
Prozess, abgeleitet von der Zielsetzung
und Strategie.“
Topleute erkennen
Eine Potenzialanalyse könne zum Ei-
nen dafür genutzt werden, Talente im
Unternehmen bestmöglich einzusetzen
und Entwicklungsmaßnahmen abzulei-
ten als auch neue Mitarbeiter zu finden.
Wichtig sei, dass es nie nur ein Test
ist, sondern ein zweistufiges Verfahren,
das sowohl Selbst- als auch Fremdbild
beinhaltet. „Der Test ist das Ergebnis
dessen, wie man sich selbst sieht und
wie man denkt, dass man in bestimm-
ten Situationen reagiert. Ergänzt wird
dies dann mit einem Fremdbild durch
ein persönliches Interview oder auch
durch ein Assessment Center“, erklärt
die Beraterin. Es gibt verschiedene wis-
senschafltich fundierte Testverfahren,
die eingesetzt werden können - abge-
stimmt auf die jeweilige Ausgangssitu-
ation und die Kompetenzbereiche, die
beurteilt werden sollen. Das Ergebnis
des Testes sei aber kein Wert wie ein
Intelligenzquotient, sondern eine soge-
nannte Standortbestimmung, die zeigt,
wo man sich zum aktuellen Zeitpunkt
befindet und auch seine Kompetenzen
sichtbar macht. Und damit ist ein Test