Olympiasiegerin
Die gebürtige Kirchdorferin Anna Kiesenhofer (31) ist Profi-Radrennfahrerin und Mathematikerin. Im vergangenen Jahr sicherte sie sich bei den Olympischen Spielen in Tokio (Japan) sensationell die Goldmedaille im Straßenrennen. Im Interview verrät sie ihr Erfolgsrezept und worauf angehende Spitzensportler:innen achten sollen.
Es heißt oft: „Am Höhepunkt seiner Karriere soll man aufhören!“ Ist Ihnen dieser Gedanke auch durch den Kopf gegangen?
Anna KiesenhoferEigentlich war mein Karriereplan vor Tokio, dass das olympische Straßenrennen mein letztes ernsthaftes Radrennen sein wird. Ich habe den Plan nach ein paar Wochen Reflexion verworfen. Und zwar deswegen, weil mir der Sport sehr bald wieder so viel Spaß gemacht hat wie schon lange nicht mehr. Der Druck war plötzlich weg. Ich habe eine Pause eingelegt, weniger trainiert und habe dann Schritt für Schritt wieder angefangen. Mir wurde dann relativ rasch klar, dass ich das Training, das Sich-Verbessern und an meine Grenzen zu gehen einfach liebe.
Seit der sensationellen Goldmedaille sind weltweit noch mehr Blicke auf Sie gerichtet. Erhöht das den Druck oder ist das eher Ansporn?
Anna KiesenhoferIch würde sagen: ein kleines bisschen von beidem, aber vielleicht weniger Druck, als man erwarten würde. Gerade jetzt lasse ich mir eigentlich wenig Druck von anderen machen – wenn, dann stelle ich an mich selbst gewisse Ansprüche. Aber das war ja auch vor Tokio schon so. Es kann aber durchaus motivierend sein, wenn man weiß, dass man „beobachtet“ wird. Ich nutze das aktiv, um mich zu pushen.
Sie sind ausgebildete Mathematikerin – wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, auch bei Olympia in Paris 2024 groß abzuräumen?
Anna KiesenhoferAls Mathematikerin würde ich sagen, dass hier nicht genug Informationen vorliegen, um eine passende Aussage zu treffen.
Was würden Sie einem jungen Nachwuchsprofi raten, wie man mit dem Erfolgsdruck umgeht?
Anna KiesenhoferMeiner Meinung nach ist es nicht förderlich, sich zu viel mit anderen zu vergleichen. Und wenn man es trotzdem macht, muss man sich immer bewusst sein, dass das, was man von anderen sieht, nur ein kleiner Teil ist – und zwar der, den sie herzeigen wollen. Sportler:innen teilen zum Beispiel gerne Trainingseinheiten auf Social Media. Doch das sind dann oft nur die besten Einheiten und man sollte nicht glauben, dass sie so ein Training jeden Tag absolvieren. Ich finde es auch wichtig, dass man sich realistische Ziele setzt und nicht unbedingt den großen Titeln, die in unserer Gesellschaft für Erfolg stehen, nachläuft. Entscheidend ist, mit sich selbst zufrieden zu sein. Ein akademischer Titel, ein großer sportlicher Erfolg, viel Geld oder eine wichtige Position in einem Unternehmen bringen einem Respekt in der Öffentlichkeit, aber machen nicht automatisch glücklich. Ich persönlich war nach meinen kleinen Erfolgen wie dem ersten Staatsmeistertitel fast genauso stolz und zufrieden wie nach dem Olympiasieg._
Ein großer sportlicher Erfolg macht nicht automatisch glücklich.
Anna Kiesenhofer
Spitzensportlerin und Mathematikerin