„To-do-List“ steht dick unterstrichen auf einem Flipchart im Büro des neuen Standorts der Oberhammer Rechtsanwälte in der Welser Dragonerstraße. Ein noch offener Punkt: „Seife für Klo kaufen!“ Bei unserem Besuch merkt man, dass es noch nicht lange her ist, seit Fritz Ecker und Christian Pindeus hier ihr Büro eröffnet haben. Von ihrer neuen Heimat aus haben sie einen guten Blick auf ihre vorige Arbeitsstelle, die nur einige Meter entfernt liegt – den dunkel glänzenden Glaskubus von SCWP Schindhelm. Dort wurden von den Rechtsanwälten bis vor kurzem auch junge Unternehmer bei rechtlichen Fragen und zum Thema Finanzierung beraten, jetzt machen sich die beiden selbstständig –
und zwar als Partner der Wiener Kanzlei Oberhammer Rechtsanwälte. „Wir sind zum Entschluss gekommen, dass wir unternehmerisch tätig sein und selbst gestalten wollen“, sagt Pindeus. Für ihn ist das Gründen keine Premiere: Vor einigen Jahren entwickelte er SimpLEX Doks, ein Onlinevertragstool für Rechtsanwälte, die Rechte dafür wurden später verkauft. Pindeus: „Es macht natürlich Spaß und ist eine Herausforderung, eine Idee oder ein neues Unternehmen umzusetzen – mit allen Themen, die dazugehören.“ Während ihrer Zeit als Anwälte wurden ihm und Ecker klar: Als Teil einer großen Organisation mit bereits weitestgehend vorgegebenen Strukturen Fälle zu betreuen, reicht nicht. „Wir wollten Strukturen nach unseren Vorstellungen aufbauen und selbst als Unternehmer tätig sein – vermutlich ist das einfach ein Teil unserer Persönlichkeit“, sagt Ecker.
Durch das gemeinsame Bearbeiten von Projekten und den daraus entstandenen engen Kontakt zu Ewald Oberhammer reifte die Idee für den gemeinsamen Schritt. „Wir hatten keine Vorgaben und Beschränkungen im engeren Sinn für den neuen Standort, für uns fühlt sich das Ganze also an wie eine Neugründung“, erklärt Ecker, „natürlich arbeiten wir aber eng mit unseren Kollegen am Wiener Standort zusammen.“ Fachlich ergänzt man sich gut mit Wien: In der Hauptstadt richtet Oberhammer den Fokus auf Kapitalmarktrecht und Corporate Migration – der neue Standort in Wels berät die Mandanten vorwiegend zu Gesellschaftsrecht, M&A, Venture Capital Services, Finanzierungen und Restrukturierungen. „Dass wir fachlich andere Schwerpunkte haben, war auch der Grund dafür, dass wir so starke Synergien für einen Zusammenschluss gesehen haben “, sagt Ecker. Die beiden wollen ihren Mandanten nicht nur persönliche Betreuung bieten, sondern auch als umfassender Sparringpartner in wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung stehen. „In diesem persönlichen und effizienten Zugang zu den Mandanten und unserem Fachwissen sehen wir auch unsere USP“, erklärt Ecker.
Tückische Neugründungen
Neugründungen haben bekanntlich immer ihre Tücken. Besonders wichtig für Kanzleien ist die IT-Infrastruktur – für die Anbindung an Gerichte, Anwaltssoftware, elektronischen Rechtsverkehr. „Da mussten wir nur in Wien bei Oberhammer andocken und nichts selbst anschaffen, das hat viel Mühe erspart“, erinnert sich Ecker. Bei rechtlichen und Finanzierungsfragen sind die beiden ohnehin Experten. Trotzdem kam es zu Überraschungen. „Ich kann mich noch an meinen ersten Arbeitstag im neuen Büro erinnern, ich hab den Computer eingeschaltet und gedacht, ich kann gleich mit der Mandatsarbeit beginnen. Ich hab dabei etwas unterschätzt, um wieviele Banalitäten man sich gerade zu Beginn noch nebenbei kümmern muss – vom fehlenden Büromaterial bis hin zur effizienten Abwicklung interner Administrationstätigkeiten“, erinnert sich Ecker. Mittlerweile haben sich die Arbeitsabläufe aber sehr gut eingespielt, auch mit den restlichen, insgesamt 310 Quadratmeter großen Arbeitsräumen ist man mehr als zufrieden. Pindeus: „Klar, als Unternehmer können wir gestalten, müssen uns aber natürlich auch selbst um den Außenauftritt, HR, Administration und effiziente Arbeitsabläufe kümmern und nicht mehr nur um die Mandatsabwicklung.“
Harmonische Trennung
Was passiert eigentlich mit den Mandanten des alten Arbeitgebers bei einer Neugründung? „Der Umgang mit Kunden ist natürlich auch in der Beratungsbranche ein heikles Thema“, sagt Ecker, „zumal in der Regel auch in einer Großkanzlei letztendlich das Vertrauensverhältnis zwischen den Anwälten und den Personen, die sie betreuen, zählt – unter welchem Dach man dann arbeitet, ist für die meisten Mandanten nicht von entscheidender Bedeutung.“ „Die Rückmeldungen zur Neugründung waren sehr positiv, es war für unsere eigenen Mandanten klar, dass sie weiter mit uns zusammenarbeiten“, sagt Pindeus. Generell sei die Trennung von SCWP Schindhelm in Wels sehr einvernehmlich vonstatten gegangen. „In der Beraterbranche ist es nichts völlig Unübliches, dass junge Leute sagen, sie wollen sich auf eigene Füße stellen“, sagt Ecker. Besonders wichtig sei allen Seiten gewesen, dass es zu keinen Nachteilen für die Mandanten kommt. Ecker: „Das war die oberste Prämisse.“
Derzeit arbeiten Ecker und Pindeus mit zwei Konzipienten und zwei Sekretärinnen am neuen Standort in Wels, gemeinsam mit Wien kommt Oberhammer Rechtsanwälte auf zehn Juristen und in Summe auf etwa 25 Mitarbeiter. Am Welser Standort gibt es noch etwas Spielraum in den Büros. „Wie man sieht, würden hier locker noch zwei bis drei neue Mitarbeiter hineinpassen – das ist aber auch klar, wir wollen nicht gleich wieder ausziehen müssen, wenn wir noch weiterwachsen“, sagt Ecker. Ein Wechsel von Wels nach Linz oder gar weg aus Oberösterreich kam für die beiden bei der neuen Standortwahl nicht infrage. „Der oberösterreichische Zentralraum mit vielen etablierten Industrieunternehmen, aber auch als Motor des technologischen Fortschritts und der Digitalisierung mit vielen IT-Unternehmen, Start-ups sowie F&E, ist ideal für unsere Kernkompetenzen, die uns eine klare Positionierung als Wirtschaftsrechts-Boutique ermöglichen“, sagt Pindeus. „Wir glauben, dass die Stadt Wels der ideale Standort ist“, sagt Ecker.