Die Wirtschaft predigt seit Jahren das Motto: "Karriere mit Lehre". Die Jungen glauben nicht daran. Die Lehrlingszahlen sind rückläufig: 7.383 Jugendliche haben 2013 in Oberösterreich eine Lehre gestartet, das ist ein Rückgang von 6,1 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Das Projekt "Lehre mit Matura" und der Verein "REACH UP wollen dem entgegenwirken und das Image der Lehre fördern.
Lehre mit Matura
„Kann mein Kind bei Ihnen Lehre mit Matura machen?“ Das ist laut Reinhard Koch, Lehrlingsausbildner beim Silikon-Spritzgießer starlim//sterner in Marchtrenk, die erste Frage, die Eltern bei der Berufsmesse fragen. Erst danach würden sie sich erkundigen, welchen Lehrberuf man bei der Firma machen kann. Das Projekt Lehre mit Matura sei daher ganz klar „ein Werbeträger“. Von November 2013 bis Mai 2014 haben rund 2.500 Personen in Oberösterreich einen Kurs im Zuge des Projekts besucht, es gibt seit Start im Herbst 2008 knapp 250 Absolventen. Die vom Unterrichtsministerium finanzierte Initiative steht allen Lehrlingen kostenlos zur Verfügung, einzige Voraussetzung für die Anmeldung ist ein gültiger Lehrvertrag. Der Einstieg wird zu Beginn des 2. Lehrjahres empfohlen. Mindestens eine von vier Teilprüfungen (Deutsch, Mathematik, Lebendige Fremdsprache, Fachbereich) muss während der Lehrzeit abgelegt werden, die restlichen Fächer können innerhalb von fünf Jahren danach absolviert werden. Die letzte Prüfung kann frühestens nach der Lehrabschlussprüfung und mit 19 Jahren gemacht werden.
Eigeninitiative und Selbstdisziplin
starlim//sterner bietet den Lehrlingen im Rahmen der Lehre Englisch an. „Als internationaler Konzern mit weltweiten Niederlassungen brauchen wir Fachkräfte für das Ausland“, so Koch. Aus diesem Drund dürfen die Lehrlinge den Kurs während der Arbeitszeit machen. Man habe sich mit den Firmen FMT, Trodat und EWE zusammengeschlossen und organisiert im zweiten Lehrjahr den Unterricht. „Für große Firmen ist das Projekt sehr interessant und mit deren Unterstützung funktioniert es auch gut“, meint Christopher Dickbauer, Produktmanager für den Bereich Lehre mit Matura beim WIFI, welches Kurse mit rund 15 Teilnehmern direkt in den Betrieben abhält. Die Lehrlinge bräuchten Eigeninitiative und Selbstdisziplin, denn zusätzlich zu den Kurszeiten sei wöchentlich ein Abend für Vor- und Nachbereitung notwendig. Lehrlinge würden sich im Verlauf der Ausbildung persönlich enorm weiterentwickeln und es sei eine Gruppendynamik erkennbar: Die Jungen motivieren und unterstützen sich gegenseitig.
REACH UP
Unternehmen, die ihren Lehrlingen neben der fachlichen Ausbil- dung, soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Kompetenzen vermitteln wollen, spricht der Verein REACH UP an, der durch eine private Initiative von Unternehmen entstanden ist. „Ein wesentliches Ziel ist es, das Image der Lehre zu fördern und so dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, erklärt Bernadette Irnberger, verantwortlich für Programmmanagement und Training. 2012 wurde mit einem Cross-Mentoring Programm gestartet, im April 2014 wurde der Verein mit Sitz in Wien gegründet. Aus Oberösterreich ist zum Beispiel bereits die Firma Elin dabei.
Austausch und Zusammenarbeit
„Wir suchen branchenübergreifend, weil der interdisziplinäre Austausch ein weiteres, sehr wesentliches Ziel ist“, so Irnberger. „Lehrlinge aus unterschiedlichen Betrieben sollen Verständnis füreinander sowie für die jeweiligen Arbeitsprozesse entwickeln, denn Erfolg ist immer auch von guter Zusammenarbeit abhängig.“ Später müsse auf einer Baustelle dann auch etwa der Elektriker mit dem Tischler zusammenarbeiten. Angeboten werden Workshops, Impulsseminare, Exkursionen, Sozialprojekte und ein Cross-Mentoring Programm. REACH UP ist für die teilnehmenden Betriebe eine Plattform für die Lehrlingsausbildung, das Programm werde immer wieder gezielt mit und für die Unternehmen optimiert und erweitert. Der Verein wird über Einnahmen aus den Trainings und nach Mitarbeiteranzahl gestaffelten Mitgliedsbeiträgen finanziert. Die Wirtschaftskammer Österreich fördert das Programm.
Lehrlinge in Zahlen
Rund 46% der Jugendlichen beginnen nach der Pflichtschule eine Lehrlingsausbildung. (österreichweit im Schnitt 40%)
199 Lehrberufe
gibt es aktuell österreichweit, die Lehrzeiten variieren zwischen zwei und vier Jahren.
32,55% aller Lehrlinge haben sich für die drei beliebtesten Lehrberufe entschieden: Metalltechnik vor Einzelhandel und Elektrotechnik.
Mit 21,3% hat OÖ den höchsten Lehrlingsanteil von allen Bundesländern, gefolgt von NÖ (15,5%), Wien (15,1%) und der Steiermark (14,6%).